Samstag, 6. Juni 2015

Ist Curcuma wirklich gesund?

Foto: Sanjay Acharya, wikicommons
Der wohlgenährte selbsternannte Gewürzpapst Don Alfonso Schuhbeck gibt nicht nur gefühlt zu jedem Gericht  Knoblauch gepaart mit Ingwer, sondern lobt auch Curcuma (Kurkuma) ob seiner angeblichen gesundheitlichen Wirkungen in den allerhöchsten Tönen.
Unter anderem solle das Gewürz, so wird behauptet, krebshemmende, antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen haben, die Gallensäfte fließen lassen - und natürlich: Alzheimer könne man zum Glück angeblich damit ebenfalls vorbeugen. Das sei festgestellt, behauptet ein anderer, der mit obskuren Nahrungsergänzungsmitteln, halbgarem Wissen, von anderen abgekupferten Konzepten, die er leicht modifiziert als die seinen ausgibt, vor allem aber ausgefeilten Vermarktungsstrategien für seine "Snake-Oil-Produkte" sein Geld primär in Sportlerkreisen verdient. Die Ausbreitung von Alzheimer könne mit Curcuma verhindert werden - was auch immer er uns mit "Ausbreitung" sagen will. Das Gehirn und seine Strukturen würden durch Curcuma unterstützt, wie auch immer das Gewürz die Blut-Hirn-Schranke überwinden soll. Solche überschätzten Details bleibt uns der "Nährstoffberater" in seinen Ausführungen leider schuldig, ebenso einen Hinweis darauf, dass es zu diesem Thema keine doppelverblindeten, randomisierten, placebokontrollierten Studien am Menschen gibt, die seine steilen Thesen stützen würden.
von Robert Bock

Ist es Euch aufgefallen? Alzheimer ist derzeit das Panikthema schlechthin, mit dem man uns das Geld aus der Tasche leiern will. Knapp dahinter ADHS, "Börnaut", der weibliche "Blähbauch", Orangenhaut, Impotenz, Haarausfall und der "nächtliche Harndrang". Mal sehen, wie lange es dauert, bis die Wirkung von Curcuma auch dagegen bewiesen sein wird. Oder genügt es nicht bereits, natives Kokosöl esslöffelweise dagegen einzunehmen, respektive den Glatzenansatz und den Johannes damit mit kontemplativer Hingabe zu salben? Ich warne allerdings meine männlichen Leser davor, den Johannes - Motto: Doppelt genäht hält besser - mit einer selbstgerührten Salbe aus selbstverständlich jungfräulichem (vergine) Kokosöl und Curcuma zu behandeln. Der "Gelbe Sack" ist längst erfunden, meine Herren ;).


Jetzt aber zum Thema:  

Curcuma (Kurkuma, Turmeric, Gelbwurz) ist eine Wurzel aus der Familie der Ingwergewächse, die zumeist zu einem extrem färbenden gelb-orangen Gewürzpulver verarbeitet wird, das auch ein Grundlagengewürz vieler Curry-Mischungen ist. Mitunter wird es zum Strecken des deutlich teureren Safran in pulverisierter Form verwendet - Safran deswegen unbedingt in Form von Sarfanfäden und nie als Pulver kaufen.

Tut mir leid Leute - es handelt sich wieder mal um ein Schurkenstück aus der Abteilung Täuschen aus geschäftlichen Gründen, denn die wissenschaftliche Evidenz für wohlfeile Behauptungen die gesundheitlichen Wirkungen betreffend, geht gegen Null und obendrein ist Curcuma nicht nur kein nachgewiesen gesundheitsförderliches Lebensmittel, sondern möglicherweise sogar ein ziemlich gesundheitsschädliches Zeug, das man besser mit Bedacht konsumieren sollte.

Was sagen denn die notorische Euphoriebremsen, sprich: die nüchternen, um Objektivität bemühten Wissenschaftler zum Curcuma?
 "According to the National Center for Complementary and Alternative Medicine, "there is little reliable evidence to support the use of turmeric for any health condition because few clinical trials have been conducted."

Auch die American Cancer Society fasst die Studienlage eher ernüchternd zusammen.

Die Studien, die bislang in der Krebsforschung vorliegen, beziehen sich auf in-vitro-Situationen ("im Reagenzglas") oder auf Tierversuche mit Nagetieren, aber es gibt wohl kaum abgeschlossene Studien am Menschen, zumal das Curcumin wohl ziemlich schlecht vom Darm aufgenommen wird und eine hohe Dosis Curcumin womöglich ziemlich schlimme Nebenwirkungen haben könnte. Das macht die Forscher vorsichtig, was das Formulieren von Empfehlungen angeht - und ich meine völlig zurecht.

Eine Studie von 2011 kam zum Ergebnis, dass das verabreichte Curcumin keinerlei Einfluß auf bestimmte krebsfördernde Substanzen im Darm der Versuchspersonen hatte. Und das wars dann wohl auch, was die Evidenz in Sachen Krebs angeht. Null - Niente - Nix.

Sollte man Don Alfonso vielleicht mal stecken, damit er aufhört permanent diesen Unfug zu plappern, während er bei Markus Lanz den Kochlöffel schwingt und den Abklatsch einer aus dem Leim geratenen Hildegard von Bingen in Kochkostümierung gibt. Unter uns: Er kann was, der Alfons. Wenn's ums Kochen geht - aber sein halbgares Gesundheitsgelaber, das würde die Milch in meinem Kühlschrank zuverlässig säuern, wenn denn dort eine stehen würde.


Zwischenfazit:  

Ob Curcuma irgendwelche positiven gesundheitlichen Wirkungen für den Menschen hat, ist zum gegenwärtigen Stand des Wissens nicht durch Evidenz belegt.

Rationalerweise bedeutet das, wir sollten bis auf Weiteres davon ausgehen, dass dem nicht der Fall ist und gegenteilige Aussagen nichts weiter sind, als Hypothesen, die vor allem dem Geschäft der Gewürzhändler dienlich sein dürften.

Schritt 2: Wie sieht es denn mit potenziell negativen gesundheitlichen Wirkungen auf den Menschen aus?


Pflanzen haben es ja allesamt mehr oder weniger faustdick hinter ihren Blättern und Wurzeln und sind mitunter randvoll mit Antinutrients und Toxinen. Schließlich wollen Pflanzen, ebensowenig wie Tiere, gefressen werden und sie wissen sich zu wehren. Wie sieht es diesbezüglich beim Curcuma aus?

Schauen wir doch mal hier:

"In the present study, toxicity of 200 chemical compounds from turmeric were predicted (includes bacterial mutagenicity, rodent carcinogenicity and human hepatotoxicity). The study shows out of 200 compounds, 184 compounds were predicted as toxigenic, 136 compounds are mutagenic, 153 compounds are carcinogenic and 64 compounds are hepatotoxic."
Nochmal langsam: von 200 identifizierten Phytochemika in Curcuma sind also :
  • 184 giftig
  • 136 erbgutverändernd
  • 153 krebserregend
  • 64 leberschädigend

Wikipdia  zu den Risiken von Curcumin, dem isolierten Wirkstoff des Curcuma:

"Kawanishi et al. remarked that curcumin, like many antioxidants, can be a "double-edge sword", whereby, in the test tube, carcinogenic and pro-oxidant effects may be seen in addition to anticancer and antioxidant effects. Carcinogenic effects are inferred from interference with the p53 tumor suppressor pathway, an important factor in human colon cancer. In vitro and in vivo studies suggest that curcumin can have carcinogenic effects.
Clinical studies in humans with high doses (2–12 grams) of curcumin have shown few side-effects, with some subjects reporting mild nausea or diarrhea. More recently, curcumin was found to alter iron metabolism by chelating iron and suppressing the protein hepcidin, potentially causing iron deficiency in susceptible patients. Further studies seem to be necessary to establish the benefit/risk profile of curcumin.
There is no or little evidence to suggest that curcumin is either safe or unsafe for pregnant women. However, there is still some concern that medicinal use of products containing curcumin could stimulate the uterus, which may lead to a miscarriage, although there is not much evidence to support this claim. According to experiments done on rats and guinea pigs, there is no obvious effect (either positive or negative) on the pregnancy rate or number of live or dead embryos. Curcumin has embryotoxic and teratogenic effects on zebrafishes (Danio rerio) embryos."
Kerbserregend Wirkung (hä? Ich dachte die Wirkung wäre krebshemmend...und jetzt das?!?), vor allem Darmkrebs wird diskutiert, Übelkeit, Durchfall, Eisenmangel durch Chelatbildung (ähnlich Oxalaten und Phytinsäure vom Prinzip her). Stimulierung des Uterus und Erhöhung des Risikos von Fehlgeburten. Möglicherweise ist Curcuma deswegen ein traditionelles Mittel der Naturmedizin zur Herbeiführung eines Schwangerschaftsabbruchs in Indien? Bitte nochmals beachten: Es handelt sich um die diskutierten Wirkungen des isolierten Wirkstoffes, nicht der Wurzel bzw. des Gewürzes an sich.

Die Dosis macht das Gift - ich würde mit diesem Gewürz zurückhaltend umgehen und nicht den Fehler machen, den viele gesundheitsbewußte Menschen ja gerne machen: Sie schütten sich angeblich gesunde Lebensmittel in Massen statt in Maßen hinter die Kauleiste und im Falle Curcuma könnte das möglicherweise ein böser Bumerang sein.

Nicht vergessen: Auch die Inder werden krank (sonst bedürfte es keiner Ayurveda-Medizin, deren Lehre  nach westlichen Maßstäben so gut wie gar nicht wissenschaftlich fundiert ist und deren Behauptungen weit überwiegend in klinischen Tests nicht verifiziert werden konnten) und die Lebenserwartung der Inder ist auch nicht gerade beeindruckend. Mag vielleicht auch daran liegen, dass als Heilmittel eingestufte Pflanzen in Wahrheit eine Ursache von Krankheiten sein können. Dies aber nur eine Hypothese meinerseits, die ich nie zu testen in der Lage sein werde. Aber vielleicht andere.

Die biochemischen Fakten der Inhaltsstoffe der Wurzel und der Stand seriöser Forschung am Menschen (in vivo) sprechen jedenfalls für mich eine eindeutige Sprache. Eindeutig genug, um achtsam zu sein und nicht jeden Quatsch zu glauben, den man uns weiß- oder in diesem Falle - gelbmachen will. Crucuma ist kein Heilmittel, sondern es ist in erster Linie ein Gewürz und als solches sollte man es auch betrachten und es in den gewürzüblichen Mengen verwenden. Mehr hineinzudichten ist zum gegenwärtigen Stand objektiv fundierten Wissens unseriös und i.d.R. monetär motiviert.

(Re-Posted vom 15.05. 2014)