Dienstag, 19. Mai 2015

Forschung: Eisen- und Zinkmangel bei vegetarisch ernährten Kindern und Jugendlichen

Foto: pixabay
Wer in der sekteneigenen Universität der Seventh Day-Adventisten, einer religiös motiviert vegetarisch lebenden protestantischen Glaubensgemeinschaft, in der Loma Linda University in Kalifornien auf einem Kongress zum Thema vegetarische Ernährung einen Vortrag hält, tut gut daran, unangenehme Fakten hübsch mit Schleifchen, sprich: diplomatisch zu verpacken, denn ansonsten läuft er möglicherweise Gefahr nicht mehr eingeladen zu werden.
So in etwa haben sich das möglicherweise drei neuseeländische Wissenschaftlerinnen vorab überlegt, die dort einen Vortrag zum Thema Eisen- und Zinkversorgung von vegetarisch ernährten Kindern in industrialisierten Ländern halten durften, dessen Thesen sie in Form eines Artikels am 28. Mai 2014 im American Journal of Clinical Nutrition einer breiteren interessierten Öffentlichkeit vorstellten.

Dass Eisenmangel und B12-Mangel bei Vegetariern besorgniserregende Probleme darstellen, ist lange bekannt, dass man sich aber auch bezüglich der Zinkversorgung, insbesondere bei jugendlichen Vegetariern Sorgen machen sollte, wurde bislang weniger intensiv zur Sprache gebracht.
von Robert Bock

Zur Studie:

Is iron and zinc nutrition a concern for vegetarian infants and young children in industrialized countries?
Rosalind S Gibson, Anne-Louise M Heath, and Ewa A Szymlek-Ga


"Abstract:


Well-planned vegetarian diets are considered adequate for all stages of the life cycle, despite limited data on the zinc status of vegetarians during early childhood. The bioavailability of iron and zinc in vegetarian diets is poor because of their higher content of absorption inhibitors such as phytate and polyphenols and the absence of flesh foods. Consequently, children as well as adult vegetarians often have lower serum ferritin concentrations than omnivores, which is indicative of reduced iron stores, despite comparable intakes of total iron; hemoglobin differences are small and rarely associated with anemia. However, data on serum zinc concentrations, the recommended biomarker for identifying population groups at elevated risk of zinc deficiency, are sparse and difficult to interpret because recommended collection and analytic procedures have not always been followed. Existing data indicate no differences in serum zinc or growth between young vegetarian and omnivorous children, although there is some evidence of low serum zinc concentrations in vegetarian adolescents. Some vegetarian immigrants from underprivileged households may be predisposed to iron and zinc deficiency because of nondietary factors such as chronic inflammation, parasitic infections, overweight, and genetic hemoglobin disorders. To reduce the risk of deficiency, the content and bioavailability of iron and zinc should be enhanced in vegetarian diets by consumption of fortified cereals and milk, by consumption of leavened whole grains, by soaking dried legumes before cooking and discarding the soaking water, and by replacing tea and coffee at meals with vitamin C–rich drinks, fruit, or vegetables. Additional recommended practices include using fermented soy foods and sprouting at least some of the legumes consumed. Fortified foods can reduce iron deficiency, but whether they can also reduce zinc deficiency is less certain. Supplements may be necessary for vegetarian children following very restricted vegan diets. "

Der erste nett verpackte Tiefschlag für die Vegetarier findet sich gleich im ersten Satz: "Well-planned vegetarian diets are considered adequate for all stages of the life cycle, despite limited data (...). Die drei Verfasserinnen des Artikels kritisieren also, dass das Mantra von der "well-planned vegetarian diet" auf mangelhafter wissenschaftlichen Evidenz formuliert sei. In diesem Fall, im Fortgang des Abstract präzisierend, auf das Spurenelement Zink abstellend. Daten seien rar und schwer zu interpretieren, weil handwerkliche Erfordernisse der Analytik nicht immer befolgt wurden. Was die vorliegenden Daten betrifft, deute viel auf niedrige Zink-Serum-Konzentrationen bei Heranwachsenden hin.

Dass Zinkmangel eine ganze Bandbreite unschöner gesundheitlicher Probleme zur Folge haben kann, ist ein gut erforschtes Wissensgebiet. Der englische Wikipedia-Eintrag listet die Bandbreite der gesicherten und der kontrovers diskutierten Erkenntnis hierzu auf. Deutlich knapper gibt sich (wieder einmal) das deutschsprachige Pendant. Krebs und Störungen des mentalen/psychischen Formenkreises werden beispielsweise - warum auch immer - nicht erwähnt.
 "Das Spurenelement kann im Körper nicht gespeichert werden, es muss regelmäßig von außen zugeführt werden. Aufgrund von falschen Ernährungsgewohnheiten ist Zinkmangel auch in westlichen Ländern nicht selten, insbesondere bei Säuglingen, Senioren, Jugendlichen und Frauen im gebärfähigen Alter.
Zinkmangel führt zu einer Unterfunktion der Keimdrüsen, Wachstumsstörungen und Blutarmut. Ein niedriger Zinkspiegel äußert sich oft auch durch eine verringerte Abwehrfunktion, Haarausfall, trockene Haut und brüchige Nägel.
(...)
Die Aufnahme von Zink (wie auch anderen Metallionen) aus dem Darm wird ebenfalls durch phytinsäurehaltige Nahrungsmittel vermindert
(...)
Erdnüsse enthalten zwar relativ viel Zink (ca. 3 mg pro 100 g), aber wie andere Hülsenfrüchte auch viel Phytinsäure, welche die Aufnahme behindert.Gleiches gilt für Ölsaaten und Vollkornprodukte."
Neben anderen Ursachen für Mangel an Mineralstoffen und Spurenlelementen findet sich die gute alte Phytinsäure also wieder einmal, die sich in den Lieblingsspeisen der Vegetarier in rauen Mengen befindet: Nüsse und Samen sowie den Ölen daraus, Vollkorngetreide, Soja und andere Hülsenfrüchte. Um diese zu reduzieren, sind ausgefeilte Denaturierungstechniken nötig, die die Menschheit im Lauf der Zeit ersonnen hat und die die Autorinnen des Artikels, um den es sich dreht, denn auch auflisten.

Ich habe mich in der Vergangenheit bereits ausführlicher mit dem Thema Phytinsäure beschäftigt.  Der Gehalt an Phytinsäure läßt sich durch die angesprochenen teils sehr aufwendigen Denaturierungstechniken reduzieren, aber keineswegs auf Null bringen, das sollte man nicht vergessen.

Die Autorinnen heben bervor, dass man mittels künstlich mit Eisen angereicherter Lebensmittel die Eisenversorgung von Vegetariern verbessern könne, ob dies mit einer Zinkanreicherung funktionieren würde, ist ihrer Meinung nach weniger sicher. Mit anderen Worten: Es ist wohl besser bis zum Nachweis des Gegenteils davon auszugehen, dass es nicht funktioniert und entsprechend handelt. M.a.W.: Fleisch, Fisch und Eier essen, Vegetarismus/Veganismus ist gefährlich, wenn nicht mittels künstlicher Hilfsmittel nachgeholfen wird.

Unterm Strich bleibt aus meiner Sicht die glasklare und am Beispiel Zink ausführlich argumentativ unterfütterte Kritik an der Behauptung, dass eine "gut geplante vegetarische Diät" für Menschen in jeder Lebensphase eine gesunde, unbedenkliche Ernährungsform sei. Ohne Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke ist es zumindest für vegan ernährte Kinder ein riskantes Unterfangen.

Wer sich paleo ernährt, reduziert schon mal die Phytinbomben, wenn er Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte streicht und Nüsse mit Bedacht konsumiert (deswegen auch meine Abneigung gegen "Nussmehlnachbauten"). Wenn er die Denaturierungstechniken für die verbleibenden  Phytinsäurelieferanten einsetzt, verbessert sich die Lage zusätzlich für ihn. Außerdem ist seine Ernährung reich an tierischen Eisen- und Zinklieferanten, so dass das Risiko einen Eisen- oder Zinkmangel zu erfahren, extrem überschaubar ist. Ohne Apotheke, ohne künstlich angereicherte Pseudo-Lebensmittel, die ansonsten oft den Nährwert ihrer Verpackung kaum überschreiten.

Insbesondere für Kinder und Jugendliche, die in ihrer Entwicklungsphase auf eine optimale Nährstoffversorgung angewiesen sind, ist eine konsequente, nicht durch zig Ausnahmen aufgeweichte Steinzeiternährung, m.E. die haushoch jeder "D.G.E.-Mischkost", vegetarischen, insbesondere veganen, überlegene Ernährung.

Eine Ernährung wie die vegane, die ohne künstliche Hilfsmittel zu Mangelerscheinungen und schwersten, teils irreversiblen Erkrankungen führen kann, kann a priori keine artgerechte Ernährung des Menschen sein. Evolutionsbiologisch handelt es sich ohnhin um eine ziemlich naive Schrulle einer von ihrer Biologie und ökologischen Zusammenhängen entfremdeten Wohlstandgesellschaft.

Für mich - jedem steht es frei, das anders zu sehen - zählt das Recht, sich artgerecht ernähren zu können, zu den selbstverständlichen Grundrechten eines jeden Lebewesens, die der Staat - für Mensch, Tier, Pflanze, alle Lebewesen - zu schützen und zu gewährleisten hat. Wer, wie dies vegane Ideologen oftmals tun, seinen Mitmenschen mittels politischer, legislativer Eingriffe in die Freiheit des Menschen vorschreiben will, auf tierische Lebensmittelquellen zu verzichten, bewegt sich auf einer, moralisch-ethisch betrachtet, völlig abwegigen Spur.

Möglicherweise ist ein fortschreitender Mangel an Zink und B12 ("mental disorders") oder zu weing DHA/EPA im Gehirn schuld, der solchen Blödsinn denken läßt? Diese Hypothese wäre m.E. systematischer Untersuchung wert.